How to keep the candle burning
Worum geht es?
Sie kennen das aus vielen Erfahrungen mit langfristig angelegten Changeprozessen: Transformationsprozesse werden mit viel Energie, Commitment, Ressourcen und Zuversicht gestartet. Nach einem oder zwei Jahren kann es passieren, dass dem Prozess unmerklich oder merklich die Luft ausgeht. Die Gründe dafür sind vielfältig und nachvollziehbar:
Personen, die das Veränderungsanliegen betrieben haben, verlassen die Organisation. Neue kommen dazu, kennen damit aber die Historie des Prozesses nicht. Neue Changeprozesse überlagern die Transformation, über Umstrukturierungsaktivitäten und den täglichen Workload geht der ursprüngliche Anlass für die Transformation verloren. Übrig bleiben Resignation und Enttäuschung: „Eh klar – bei uns versanden Veränderungsprozesse immer“, „Wir können nicht so viel Change auf einmal bewältigen“(1). Sicher fallen Ihnen aus Ihrer Praxis dazu weitere Beispiele ein.
Wie gelingt es folglich in Veränderungssituationen jene produktive Energie zu entwickeln, die Voraussetzung für Bewegung in die richtige Richtung ist? Wie schaffen Führungskräfte es, ihre Teams für nachhaltiges Wachstum zu begeistern und auf einzigartige Business-Opportunities neugierig zu machen?
Unternehmen müssen sich also vom „unfreeze-freeze“-Zugang der Neunziger- und Nuller-Jahre endgültig verabschieden und sich stattdessen auf den laufenden Transformationsprozess und die Adaptivität der Organisation auf eine neue Umwelt konzentrieren.
Hier unsere Empfehlungen, wie Sie Ihren Transformationsprozess auch langfristig wirkungsvoll steuern können:
1) Purpose in den Fokus – immer wieder: Wir machen das, um zu… Darauf brauchen Vorstand, Geschäftsführung, Führung eine Antwort. Eine, die sie selbst und andere nachvollziehen können und die im Dialog konsequent das Warum und Wohin schärft. Dialog scheint uns an dieser Stelle besonders wichtig: Fast immer gibt es ganz unterschiedliche Bilder darüber, wie die Zukunftsbilder in der Realität aussehen sollen. Das erschwert professionelle Strategiearbeit und Change-Umsetzung, denn unterschiedliche Erwartungen an einander und an den Prozess sorgen für Blockaden aller Art. Kommunikation wird hier zum wichtigsten Steuerungsinstrument: Die bewusste Entwicklung, Gestaltung und konsequente Umsetzung eines Narrativs ist eine der Hauptzutaten für einen gelungenen Transformationsprozess. Erst dadurch wird fokussierte Strategie- und Umsetzungsarbeit möglich, entstehen Commitment und die Übernahme von Verantwortung in der Breite.
Die Empirie zeigt übrigens, dass im Falle von existentiellen Bedrohungen tatsächlich so etwas wie Kampfgeist unter den Mitarbeiter*innen erzeugt werden kann, wenn es gelingt ein klares Bild von der Bedrohung zu zeichnen. Allerdings nur, wenn dieses auch mit der Belegschaft geteilt wird und das notwendige Vertrauen entsprechend kommuniziert wird. Narrative zu verändern, hat dabei oft mehr mit einem re-framing bereits bestehender Erzählungen zu tun, als tatsächlich alles neu zu erfinden:
- Wir machen das aber immer schon so. -> Wir entwickeln uns weiter!
- Das wird sowieso nie was. -> Lass es uns zumindest probieren!
- Bei Amazon geht so was, bei uns nicht. -> Wenn das bei denen geht, kann das bei uns angesichts von so viel mehr Erfahrung noch viel besser klappen!
2) Roadmaps anpassen. Wie beschrieben ändern sich innere und äußere Bedingungen im Lauf eine Transformation. Erfolgreiches Leadership entsteht in diesen Prozessen nicht durch Durchziehen eines einmal gefassten Plans. Es bewährt sich der Check und bei Bedarf die Anpassung von Roadmaps, Umsetzungs- und Zeitplänen. Zum Beispiel: neue Zusammensetzungen der Steuergruppen, etablieren von Resonanzgruppen, teilen von Erfolgsgeschichten aus der Organisation und konsequent regelmäßige Kommunikationsformate für Information und Dialog.
3) Mitarbeitende und Führungskräfte müssen das Neue spüren. Monatelange Ankündigungen ohne Handlungen und Auswirkungen führen zu Desinteresse und Resignation. Die Zuversicht verzieht sich in den Keller und ist nur mühsam wieder hervor zu locken. Präfigurativ zu arbeiten, also den ganzen Prozess schon so anzulegen, dass er das angestrebte Ziel bereits in sich trägt und lebt macht von Anfang an spürbar, „dass etwas anders ist“. Zum Beispiel Involvieren von Anfang an durch Analysen oder Interviewprozesse im Unterschied zu Kommunikation fertiger erreichter Vorhaben und Ziele. Häufig sind Veränderungsgeschwindigkeiten in Abteilungen oder Teilbereichen total unterschiedlich. Während die einen schon umstrukturieren und umsetzen, ist bei anderen noch nichts oder wenig zu spüren. Auch hier braucht es Kommunikation, Erklärungen und Überblick, damit nicht gegenseitige Abwertungen genährt werden.
Merke:
Um die Leistung des Ganzen zu verbessern, müssen wir die einzelnen Teile verbessern. Sagt das lineare Denken! Um die Leistung des Ganzen zu verbessern, müssen die Beziehungen zwischen den einzelnen Teilen verbessert werden. Sagt das systemische Denken! Die Struktur der Kommunikation entscheidet, ob ein soziales System intelligenter ist als seine einzelnen Mitglieder oder „blöder“. Wer ein Unternehmen, eine Abteilung oder ein Team leiten will, muss die Mechanismen kennen, die zu intelligenteren oder weniger intelligenten Entscheidungen führen. Sagte schon Fritz Simon!
Klarheit siegt! Auf Augenhöhe stattfindende, transparente Kommunikationsgestaltung statt Top down-Gießkanne. Denn: Statt sich perfekte Reden und Präsentationen für Vorstand und Geschäftsführung zu überlegen, ist das WOFÜR (jemand steht) zumindest gleich wichtig. Damit wir andere Menschen mitnehmen, müssen wir emotional anschlussfähig sein. Dazu braucht es gute Geschichten, überzeugende Narrative und wirksame Botschaften. Ein guter Frame, also ein Deutungsrahmen für Ihre Botschaften und Geschichten, wirkt allerdings nur, wenn Ihr Publikum dazu einen Bezug hat, d.h. Sie müssen Ihr Gegenüber kennen! Lernen Sie Bedürfnisse, Einstellungen und Meinungen Ihrer Mitarbeiter*innen und Stakeholder kennen und arbeiten Sie damit. Und vergessen Sie nicht: Botschaften sind dann wirksam, wenn sie drei Voraussetzungen erfüllen: Sie aktivieren zum Handeln, sie arbeiten auf kognitiver Ebene und sie sprechen die Zielgruppen auch emotional an – do, know, feel!
Transformationsprozesse langfristig wirkungsvoll steuern:
- Führung und Kommunikation müssen berühren. So werden sie nachhaltig wirksam!
- Kommunikation ist nicht nur Aufgabe der Kommunikationsabteilungen, sondern jeder Führungskraft: Die Gestaltung von verlässlichen Kommunikationsstrukturen ist Kernaufgabe von Führung.
- Geben Sie Raum zum Experimentieren: Change passiert nicht linear, sondern in Schleifen!
- Struktur folgt Kontext: Passen Sie Ihre Roadmap an statt stur einem einmal gefassten Plan zu folgen.
- Entwickeln und gestalten Sie die Geschichte, die erzählt werden soll!
- Bearbeiten Sie Komplexität und Ambivalenz im Dialog.
(1) siehe zum Beispiel dazu auch Handelsblatt vom 27.2.2025