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Es ist nicht immer alles so rosa.

Die vierte Macht verändert sich. Und mit ihr unsere Rollen als Kommunikator*innen.

Ein Bright&Early-Talk mit der Medienanalytikerin Maria Pernegger sowie Gästen aus Wirtschaft und Forschung. 

„Klassische Medien verlieren an Bedeutung. Sie sind vor allem dort bedroht, wo sie ihrer eigentlichen Aufgabe und Profession – Journalismus mit hohen Qualitätsstandards – nicht nachkommen. Denn in diesem Fall verlieren sie ihre Daseinsberechtigung!“, betont Maria Pernegger. 

Tatsächlich ist das Vertrauen der Österreicherinnen und Österreicher in Medien und Journalist*innen an einem Tiefpunkt angelangt(1). Zahlreiche Medien haben in den letzten Jahren viel von ihrem Vertrauen verspielt: So zeigt etwa der OGM Index, dass die Vertrauenswerte österreichischer Medien von 2019 auf 2021 um ein Fünftel gesunken sind. Insbesondere die journalistischen Leistungen im Zuge der Corona-Pandemie wurden eher durchwachsen beurteilt(2). „Dass zahlreiche Medien viel von ihrem Vertrauen verspielt haben, ist ein ernstes Bedrohungsszenario.“, so Pernegger.

Diesem zu begegnen erfordere Qualitätsoffensiven und die Aufstockung der finanziellen Ressourcen, allerdings liegt genau hier die Misere: Aufgrund von Personalmangel, finanziellen Einschnitten, globalen Entwicklungen, politischen und wirtschaftlichen Abhängigkeiten, etc. stehen Medien aktuell unter enormen wirtschaftlichem Druck.

Richtig gut hingegen entwickeln sich hierzulande – entgegen allen Unkenrufen – die Newcomer exxpress.at, zackzack.at & Co, also parteinahe Medien, die mit einer erstaunlichen Distributionsstärke punkten:

Von diesen Entwicklungen bleiben natürlich auch Unternehmens- und Parteienkommunikation nicht unberührt: Die einst so dominante journalistische Seite in der Ausrichtung der Kommunikation gibt es nicht mehr(3). Kreieren wir also langsam aber sicher alle unsere eigenen Bubbles?

„Medien können ihre Gatekeeper Funktion aus meiner Sicht nur dann erfüllen, wenn sie selbstkritisch einen höheren Anspruch an Transparenz, kritischer Distanz und Qualität haben“, so Pernegger.

Noch dramatischer zeigt sich die Lage bei internationaler Betrachtung: Im aktuellen Edelman Trust Report wird klar, dass es derzeit Medien (ebenso wie übrigens Regierungen) nicht gelingt, verloren gegangenes Vertrauen wiederherzustellen. Im Gegenteil: die Sorge über Fake News erreicht ein „all time-High“.

Soziale Medien als Teilchenbeschleuniger

„Fake News sind kein neues Phänomen. Fake News florieren aber vor allem deshalb, weil auf die Reaktionen der Nutzer*innen Verlass ist und diese die Verbreitung vorantreiben. Salopp formuliert: würden Fake News keine Abnehmer*nnen finden, dann würden bestimmte Lügenkonstruktionen sehr schnell in sich zusammenfallen. Internet und Social Media wirken wie ein überdimensionierter Teilchenbeschleuniger bei deren Verbreitung. Eine Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) zeigt, dass eine Falschmeldung sechsmal schneller bei 1500 Usern ankommt als eine richtige Information.“, erläutert die Medienanalytikerin.

Wen wundert’s also, dass qualitativ hochwertiger Journalismus für breite Teile der Bevölkerung als aktuell und künftig enorm wichtig eingestuft wird, zumal sich mit gutem Journalismus Geld verdienen lässt, unabhängig davon ob er in Print oder Online stattfindet. Das zeigen die Beispiele von CNN und New York Times während der Trump-Administration.

Glaubwürdige Kommunikation muss mehr können

Was heißt das nun für Unternehmenskommunikator*innen, welche Trends zeichnen sich aus Sicht der Medienexpertin ab? „Technologische Entwicklungen bieten für Unternehmen völlig neue Möglichkeiten der Kommunikation und des Auftritts, um sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren oder mit Stakeholdern in Kontakt zu treten. Aber besonders die Trends um Social Media begünstigen auch eine zunehmend unreflektierte Inszenierung und Selbstbeweihräucherung, die ich problematisch sehe. Es ist nicht immer alles so rosa, wie es auf den ersten Blick scheint. Glaubwürdige Kommunikation muss daher mehr können, als nur Sieges- und Frohbotschaften zu verbreiten. Viel stärker sehe ich als Trend in der Kommunikation deshalb eine stärkere Rückbesinnung auf Werte wie Transparenz, Ehrlichkeit, Authentizität und nicht zuletzt die Priorisierung gesellschaftlicher Verantwortung.“, unterstreicht Maria Pernegger.

Die Renaissance des Gate Keepers

Glaubwürdigkeit und Vertrauen versus Polarisierung und Austauschbarkeit: Die aktuelle Berufsfeldstudie des BdKom untersuchte dazu welche Kanäle zum Vertrauensaufbau beitragen: Mediennutzer erachten demnach Quellen und Inhalte dann als besonders glaubwürdig, wenn deren Auswahl nach redaktionellen Kriterien erfolgt, also von den Interessen der thematisierten Organisation unabhängig ist. Und das deckt sich mit der Auffassung (deutscher) PR-Verantwortlicher. 82 Prozent halten die Thematisierung der eigenen Organisation durch Earned Media für besonders geeignet zum Vertrauensaufbau:

Die Ergebnisse, so die Studienautor*innen, lesen sich insgesamt klar als Plädoyer für die klassischen Instrumente der PR, auch wenn sich diese heute deutlich ausgeweitet und ausdifferenziert haben und natürlich verschiedenste Kanäle bedienen. Medienarbeit ist heute noch viel stärker reputations- und vertrauensorientiert als früher. Reine Aufmerksamkeitseffekte treten demgegenüber zurück.

Food for thought für alle Kommunikationsstrategen.

Bettina Pepek, Mai 2022

(1) Medienhaus Wien, November 2021

(2) media affairs – Mit Medienmarktanalysen zum Kommunikationserfolg!

(3) KOM, 3, 2021 | DdKOM und Quadriga Hochschule